Wir müssen Politik ohne Geld machen

Christian Lindner
Rheinische Post

Lesedauer: 3 Minuten

 

Herr Lindner, wie beurteilen Sie die Verlängerung des Lockdowns?

Lindner: Es gibt in der Corona-Politik keine Berechenbarkeit. Wenige Tage, nachdem über den Dezember entschieden wurde, werden die Schließungen schon in den Januar verlängert. Der Kanzleramtsminister spricht von März. Herr Söder will weiter verschärfen. Warum wartet man die Wirkung nicht erst einmal ab? Außerdem können wir das Land nicht auf Dauer im Stillstand halten und die Schäden mit Schulden ausgleichen. Im Gegenteil erwarte ich eine dauerhafte Strategie, wie wird das Virus eindämmen und die verletzlichen Gruppen besser schützen, um schwere Krankheitsverläufe zu reduzieren. Dann wäre es möglich, unter Hygieneauflagen das gesellschaftliche Leben hochfahren zu können.

Wären Sie Bundeskanzler – worauf würden Sie ab dem 11. Januar achten? Die Todeszahlen sind alarmierend….

Lindner: Sie sind alarmierend. Beim Schutz der Risikogruppen muss daher der Fokus liegen, nicht bei pauschalen und flächendeckenden Schließungen von Betrieben. Für Menschen mit Vorerkrankung oder höherem Lebensalter brauchen wir einen Schutzschirm. Also beispielsweise ausreichende Schutzausrüstung und Schnelltests für Alten- und Pflegeheime. Besucher sollten verpflichtend eine FFP2-Maske tragen. Außerdem sollte es für alle Betroffenen exklusive Zeiten beim Einkaufen oder Taxigutscheine statt Bus geben. Je besser uns das gelingt, desto mehr kann wieder geöffnet werden. Insgesamt werden wir dennoch alle weiter Kontakte begrenzen und Maske tragen müssen. Bei allem Wunsch nach Geselligkeit sollten wir ausgelassene Partys zurückstellen. 

Lässt man die Betroffenen allein?

Lindner: Auf Veranlassung des Kanzleramtes wurden viele Betriebe geschlossen, dafür wurden massive Hilfen versprochen – von denen ist aber nichts zu sehen. Die Betriebe brauchen rasch und unbürokratisch Abschlagszahlungen, um Pleiten zu vermeiden. Bei der Steuer sollten die Verluste dieses Jahres gegen die Gewinne der Vorjahre verrechnet werden können. Die Union spricht dagegen für das kommende Jahr einerseits von neuen Verschärfungen und andererseits vom Ende der Finanzhilfen aus dem Bundeshaushalt. Beim Streit über die Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern wird übersehen, dass am Ende immer der Steuerzahler zahlt.

Vielleicht mit einen Corona-Soli...

Lindner: Millionen Menschen haben Rücklagen aufgebraucht, Arbeitsplätze und Betriebe sind gefährdet. Eine Wirtschaftskrise überwindet man nicht mit höheren Belastungen. SPD und Grüne wollen Steuern erhöhen. Friedrich Merz von der CDU will Steuererhöhungen zumindest nicht ausschließen. Dann mache ich es für den Fall einer Regierungsbeteiligung der FDP.

Wie wird gegenfinanziert?

Lindner: Wir werden uns in den zwanziger Jahren daran gewöhnen müssen, Politik weitgehend ohne Geld zu machen. Zugleich müssen wir das wirtschaftliche Wachstum beschleunigen. Wir müssen in der Garage wenden.

Im Wahljahr Politik ohne Geld zu machen – das ist nicht realistisch…

Lindner: Mein Eindruck ist, dass viele Menschen sich im Gegenteil wieder einen disziplinierten Umgang mit den öffentlichen Finanzen wünschen. Konkret schlage ich ein Moratorium für zusätzliche Bürokratie, Programme, Subventionen und Standards vor, bis die Finanzierung der bisherigen Staatsaufgaben wieder stabil ist. Außerdem rege ich ein Entlastungs-und Entfesselungsprogramm mit Bürokratieabbau und privaten Steuerentlastungen an. Mit Disziplin und Wachstumspolitik können wir in weniger als zehn Jahren wieder dort sein, wo wir vor der Krise waren.

Ist das eine Bewerbung um den Posten des Bundesfinanzministers?

Lindner: Das ist zumindest die größte Herausforderung: Finanzminister in der nächsten Koalition. Denn es kommt darauf an, dass das gesamtstaatliche Defizit der öffentlichen Haushalte schnellstmöglich geringer ausfällt als das Wachstum der Volkswirtschaft. Diese Trendumkehr muss schnellstmöglich in der kommenden Wahlperiode erreicht werden. Denn das ist nicht nur eine Frage der Generationenfairness, sondern auch eine Frage der Stabilität der Europäischen Währungsunion. Aus der Corona-Krise darf nicht die nächste Euro-Krise werden.

Beeinflusst es die FDP, wer bei der CDU Vorsitzender wird?

Lindner: Keineswegs. Ich sehe Herrn Laschet und Herrn Merz als Favoriten. Beide haben ein Grundverständnis von der bürgerlichen Mitte, das verwandt ist mit dem der FDP.

Mit Blick auf den Bundestag: Hat sich das Verhalten der AfD verbessert?

Lindner: Die AfD ist keine Partei, mit der ein bürgerlicher, respektvoller Umgang möglich ist. Sie will keinen politischen Wettbewerb, sie will die politische Kultur zerstören. Und sie hat kein Bild für die Zukunft, bis auf ein paar autoritäre Fantasien. Allein das Auftreten der AfD-Leute zeigt, dass das nichts mit bürgerlich und konservativ zu tun hat.

Soll man die AfD qua Geschäftsordnung von Posten ausschließen?

Lindner: Eine solche Lex AfD wäre unsouverän. Man sollte die AfD-Kandidaten einfach nicht wählen. Wer die parlamentarischen Traditionen missachtet, kann sich nicht auf parlamentarische Traditionen berufen, wenn es um Positionen, Dienstwagen und Funktionszulagen geht.

FDP und Union haben in Thüringen mit der AfD ein Desaster erlebt. Bahnt sich ähnliches für die CDU in Sachsen-Anhalt an?

Lindner: Nein, Erfurt und Magdeburg sind nicht vergleichbar. In Thüringen hat es kein Zusammengehen mit der AfD gegeben. Die AfD hat in einem ruchlosen Verfahren spontan demokratische Parteien vorführen wollen. In Sachsen-Anhalt geht es um ein seit Monaten im Raum stehendes Zusammenwirken von CDU und AfD. Das passiert dort auf offener Bühne. Ich kann nur an die Union appellieren, sich nicht in die Nähe der AfD zu begeben. Da geht es nicht um ein paar Cent Rundfunkbeitrag, bei der AfD geht es um Ressentiments gegen eine angebliche Lügenpresse.

Sie stehen hinter der Beitragserhöhung?

Lindner: Zur Erinnerung, ursprünglich waren ja automatische Beitragserhöhungen geplant. Das haben auch wir durch unsere drei Landesregierungen mit FDP-Beteiligung verhindert. Mehr war nicht erreichbar. Dann muss man einem Kompromiss mittragen. Auch wenn ich mir gelegentlich mehr Meinungsvielfalt und schlankere Organisation bei den Öffentlich-Rechtlichen wünsche, so sind sie doch eine tragende Säule der Medienlandschaft.