Was bedeutet heute liberale Politik?

Christian Lindner
Landtag Intern

Was bedeutet heute liberale Politik, wofür tritt der politische Liberalismus ein?

Lindner: Wir wollen, dass jeder etwas aus seinem Leben machen kann. Deshalb sind Liberale für Selbstbestimmung und ein Verantwortungsgefühl, das nicht sofort an den Staat abgeschoben wird. Für faire Chancen und die Akzeptanz der Vielfalt, die sich aus Freiheit und Leistung ergibt. Und in der Konsequenz für einen Staat, der bei den großen Lebensrisiken die Menschen nicht im Stich lässt, aber im Alltag in Ruhe.

Ist die Freiheit des Einzelnen durch den Staat und seine Organe stärker bedroht als durch Wirtschaftsmacht oder organisiertes Verbrechen?

Lindner: Da will ich mich nicht auf eine Seite schlagen. Der Staat ist nicht per se Bedrohung der Freiheit, aber durch falsche Politik wird er es. Freiheit ist bedroht, wenn wir unter dem Machtdiktat anderer stehen. Wenn der Staat nicht Schiedsrichter ist, sondern uns bevormundet wie neuerdings zu oft in Nordrhein-Westfalen. Und wenn der Markt nicht geordnet ist, sondern durch die Ballung von wirtschaftlicher Kraft der faire Wettbewerb ausgehebelt wird. Es kommt eben auf die richtige Balance an.

Wie wehren Sie sich gegen das Vorurteil, politischer Liberalismus bediene in Wirklichkeit nur die Interessen der Wirtschaft, der Gutsituierten und Wohlhabenden?

Lindner: Solche Angriffe kommen von denjenigen, die private Initiative und die Vielfalt des Lebens durch ihre ideologischen Blaupausen ersetzen wollen. Von der Sozialen Marktwirtschaft profitieren Millionen Menschen, die einen sicheren Arbeitsplatz haben. Der Erfolg der Agenda 2010 hat das erneut gezeigt. Wir eröffnen durch ein leistungsorientiertes, aber faires Bildungssystem allen Aufstiegschancen. Aber Liberale geben eben keine Garantie gleicher Ergebnisse ab, sondern stehen für Leistungsgerechtigkeit.

Sie gelten als Hoffnungsträger der FDP bundesweit, der große alte Mann der FDP, Hans-Dietrich Genscher, schätzt Sie und fördert Sie nach Kräften – belastet Sie das?

Lindner: Ich sehe mich als Verantwortungsträger. Mich beschäftigen die Etiketten, die mir von außen aufgeklebt werden, nicht sehr.

Bedrückt Sie das, zumindest in den Medien ständig als potentieller Nachfolger des jetzigen Parteivorsitzenden gehandelt zu werden?

Lindner: Es ist eher lästig, weil es von den Themen ablenkt, die mir wichtig sind. Wir haben einen Parteivorsitzenden. Rainer Brüderle und Philipp Rösler haben sich gefunden und ich unterstütze die beiden nach Kräften. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass ich meine Rolle in Nordrhein-Westfalen sehe. Hannelore Kraft und ihre Regierung im Landtag zu jagen, das verfolge ich mit Leidenschaft. Nach dem Verfassungsbruch beim Haushalt und dem Wortbruch bei der Beamtenbesoldung beginnt ja auch der Lack zu bröckeln.

Sie haben sowohl den Bundestag wie den Landtag als Abgeordneter erlebt. Wie unterscheiden sich die Arbeitsweise, der Stil, der Umgang miteinander, in beiden Parlamenten?

Lindner: Die Debatten im Landtag empfinde ich als intensiver, weil es in unserem Plenarsaal eine dichtere Atmosphäre als im Reichstag gibt. Nach meiner Rückkehr nach Düsseldorf musste ich im Vergleich allerdings feststellen, dass im Landtag wesentlich öfter die Person und ihre angeblichen Charaktereigenschaften attackiert werden als im Bundestag. Das ist vor allem eine Masche der Grünen. Als Debattenredner lege ich auch mit Schärfe Verantwortung offen, aber bei solchen Attacken möchte ich nicht mitmachen.

Sind Bundestagsabgeordnete höher qualifiziert als Landtagsabgeordnete, ist das ein Unterschied wie zwischen Bundesliga und Regionalliga?

Lindner: Tempo, Komplexität und Termindichte sind im Bundestag spätestens seit der Euro-Krise höher. Der Landtag ist dafür viel enger verbunden mit der Kommunalpolitik, der Fachverwaltung und den Alltagssorgen vieler Menschen. Die Themen erfordern daher oft viel Detailwissen. Die Landtagsabgeordneten sind zudem Transmissionsriemen zwischen den unterschiedlichen politischen Ebenen. Der Landtag ist keine zweite Bundesliga, er ist ein anderer Sport.

Stimmt mein Eindruck, dass die Themen im Landtag oft näher an den praktischen Problemen der Menschen sind als die Bundestagsthemen?

Lindner: Ja, weil es oft ganz praktische Konsequenzen gibt. Wenn Rot-Grün beispielsweise die Probleme der Gymnasien ignoriert, dann verschlechtern sich ganz konkret die Förderbedingungen. Der Mittelstand spürt unmittelbar die Bürokratie des Tariftreue- und Vergabegesetzes. Die Wohlstands- und Wachstumslücke im Vergleich zu anderen Bundesländern kann man in Euro und Cent angeben: 1000 Euro haben die Menschen an Rhein und Ruhr weniger an jährlicher Kaufkraft. Und durch die von den Grünen diktierte Energie- und Industriepolitik wird die Lücke nicht kleiner, sondern größer.

Wieviel Freizeit lässt Ihnen die Arbeit im Parlament und in der Partei?

Lindner: Ein bisschen habe ich schon noch. Meine Frau und ich laden gerne und sehr oft Freunde nach Hause ein. Oder ich lese vor dem Kamin.

Träumen Sie manchmal von einem Leben ohne Politik?

Lindner: Nein. Dann würde ich etwas anderes machen. Ich habe aber dafür gekämpft, meine Überzeugungen in der Politik einbringen zu können. Für mich ist es die faszinierendste Aufgabe.

Bei welcher Sportveranstaltung kann man Sie am ehesten an einem Wochenende antreffen?

Lindner: Aktuell beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Die Atmosphäre ist einmalig, die Fans campen und grillen Würstchen, dazu hört man Motoren in allen Tonarten. Ich habe generell ein Faible für Sportwagen, aber insbesondere für klassische. Die aktuellen sagen mir nicht so viel.