Unser Wohlstand hält sich nicht von alleine

Christian Lindner Finanzen
Bundesministerium der Finanzen

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Es war ein langer Weg zur Aufstellung des Haushaltsentwurfs für 2024, auch mit Kompromissen. Womit sind Sie besonders zufrieden – und womit nicht so sehr?

Lindner: Uns ist jetzt eine erste quantitative Konsolidierung gelungen. Das bedeutet: Wir halten die Schuldenbremse ein, wir verzichten auf Steuererhöhungen, wir lösen Sondervermögen auf und in der weiteren Finanzplanung auch endgültig die Rücklage. Der Haushalt wird damit klarer. Er bewegt sich innerhalb der Leitplanken, die sich die Bundesregierung selbst gegeben hat. Das ist ein großer Erfolg, den wir erreicht haben. Aber es ist nur der Beginn einer Wende in der Haushaltspolitik des Bundes insgesamt. Wir müssen auf Dauer wachsende Ausgaben im Bereich der Verteidigung finanzieren und für Zukunftsaufgaben noch mehr Spielräume erarbeiten. Das nenne ich die qualitative Konsolidierung, die jetzt noch folgen muss.

Warum war die Aufstellung des Regierungsentwurfs dieses Jahr besonders schwierig?

Lindner: Die Zinsausgaben haben sich schon im Jahr  2023 aufgetürmt wie ein Gebirge. Gleichzeitig stehen uns nicht mehr in großem Umfang Rücklagen zur Verfügung wie in den vergangenen Jahren. Von  2015 an wurde eine Rücklage aufgebaut, zunächst als Asylrücklage, die dann in eine allgemeine Rücklage umgewidmet wurde. Der Bundeshaushalt  2023 konnte u.  a. noch auf diese Rücklage zurückgreifen. Für 2024 steht nicht mehr viel daraus zur Verfügung – bei weiterhin sehr hohen Mehrausgaben, z. B., was die Zinsen betrifft. Unter anderem deshalb war die Erstellung des Entwurfs so schwierig. Es gibt eben nicht unbegrenzt mehr zu verteilen. Der Staat muss mit dem Geld auskommen, das ihm die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zur Verfügung stellen. Diese Ausgangslage hat auch eine Operation erfordert wie bereits im Jahr 2009, als ab dem Jahr 2011 die Annäherung an die Schuldenbremse geplant wurde: Für die Jahre ab  2025 müssen wir einen haushaltspolitischen Handlungsbedarf in Höhe von jeweils rund 5 Mrd. Euro ausweisen.

Was sind die Prioritäten des Haushalts?

Lindner: Wir setzen Schwerpunkte bei Zukunftsaufgaben. Wir schreiben ein Rekordniveau an öffentlichen Investitionen von deutlich über 50 Mrd. Euro fort. Und wie in den vergangenen Jahren setzen wir auch künftig Prioritäten bei Infrastruktur, Bildung und Familien. Hier wenden wir zusätzliche Gelder auf. Trotzdem müssen wir bei der inhaltlichen Schwerpunktsetzung noch zukunftsorientierter werden. Unser Wohlstand erhält sich nicht von allein. Wir brauchen Innovationen und Investitionen, vor allem auch aus dem privaten Sektor. Im Moment ist der Haushalt sehr stark durch Zinsausgaben und Sozialtransfers gebunden. Hier müssen wir uns Spielräume erarbeiten. Wir stehen jetzt erst am Beginn eines Prozesses.

Nehmen wir an, Ihnen stünden überraschend doch zusätzliche Milliarden Euro im Haushalt zur Verfügung. Wo würden Sie diese Mittel hinlenken?

Lindner: Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Ausgaben des Bundes höher sind als vor den Krisenjahren der Pandemie. Man kann nicht von einem Sparhaushalt sprechen, sondern wir konsolidieren. Wir kehren zurück auf die alte Ausgabenlinie vor der expansiven Finanzpolitik der Jahre  2020 bis 2022, die von der der Pandemie und der Energiekrise geprägt war. Dies gesagt habend, glaube ich, dass man nie zu viel Geld für Bildung und Forschung aufwenden kann. Und gerade die ungleichen Startchancen von Kindern und Jugendlichen bekümmern mich sehr. Um es klar zu sagen: In meiner gesellschaftspolitischen Vorstellung muss die Gesellschaft vielfältig und unterschiedlich sein. Es muss einen Unterschied machen, welchen Grad von Fleiß, Talent und Risikobereitschaft ein Individuum hat. Aber was nicht passieren darf, ist, dass der Platz, den eine Person in der Gesellschaft einnimmt, bestimmt wird von der natürlichen Lotterie, in welche Familie sie geboren wurde oder unter welcher Postleitzahl die Wiege stand. Da ist der Schlüssel Bildung. Nicht unbedingt Sozialtransfers an die Familie, sondern Bildung für Kinder und Jugendliche.