Armin Laschet ist oft unterschätzt worden

Christian Lindner
Augsburger Allgemeine

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Herr Lindner, wie haben Sie die Vorsitzendenwahl der CDU erlebt?

Lindner: Die Union hat sich mit Armin Laschet für einen Kurs der Mitte und des Ausgleichs entschieden. Er hat mit seiner Regierungserfahrung als Chef einer schwarz-gelben Koalition im größten Bundesland geworben. Das hat ihn gleich doppelt von seinen Mitbewerbern unterschieden, die noch keine Wahlen gewonnen und sich eher für Schwarz-Grün ausgesprochen haben. Zugleich hat sich die Union gegen Friedrich Merz und seine ambitionierte Reformpolitik ausgesprochen. Das sind politische Leitentscheidungen, die dieses Superwahljahr prägen.

Sie kennen den Politiker Laschet auch aus der Zusammenarbeit in NRW sehr gut. Ist er ein Steher?

Lindner: Ganz sicher zeichnet Armin Laschet Durchhaltevermögen aus. In Nordrhein-Westfalen zu siegen, ist keineswegs ein Selbstläufer. Zum Vergleich: dort eine schwarz-gelbe Mehrheit zu bekommen, ist etwa so eine Leistung wie eine absolute Mehrheit für die CSU in Bayern. Laschet ist in seiner politischen Karriere oft unterschätzt worden, aber die Ergebnisse sprechen für ihn. Und es kommt noch eine weitere Eigenschaft dazu, die ihn auszeichnet: Er geht mit seinem Koalitionspartner so fair um wie seinerzeit Helmut Kohl.

Sie flirten ja ziemlich offen mit Schwarz-Gelb. Was wären die Voraussetzungen dafür aus Ihrer Sicht?

Lindner: Noch geben die Umfragen das ja nicht her. Da muss man das Jahr abwarten. Grundsätzlich sind wir eine eigenständige Partei. Aber klar ist, dass die Wahl von Laschet das Verhältnis von Union und FDP weiter verbessert. Die FDP trägt gerne Regierungsverantwortung, wir gestalten gerne. Aber wir wollen eben auch eigene Akzente setzen. Wir kämpfen etwa für ein eigenes Digitalministerium. Mit Angela Merkel war das 2017 in den Jamaika-Gesprächen nicht möglich, mit Armin Laschet ging es in NRW. Wir wollten gegen übertriebene Bürokratie und Steuerlast kämpfen, und auch die Bildungspolitik auf eine neue Grundlage stellen – all das ging mit Armin Laschet, mit Angela Merkel ging es damals leider nicht.

Wie wichtig wird es für Laschet sein, die Anhänger von Friedrich Merz, der nur knapp verloren hat, einzubinden?

Lindner: Sicher wird Armin Laschet alle Flügel der Union einbinden. Das traue ich ihm auch zu. Aber die Leitentscheidung bleibt klar. Deshalb wächst nun natürlich auch die Verantwortung für die FDP, gute Beiträge in der Wirtschafts-und Finanzpolitik zu leisten. Deutschland muss wieder eine Politik für Wachstum und Beschäftigung und für die Modernisierung des Staates machen. Das sind wir in Nordrhein-Westfalen in der Regierung ein Faktor, das streben wir auch im Bund an.

Wie fanden Sie als politischer Beobachter die plötzliche Video-Intervention von Jens Spahn während des CDU-Parteitages?

Lindner: Da ich sowohl mit Armin Laschet als auch mit Jens Spahn gut bekannt bin, bitte ich Sie, mich von einer Antwort auf diese Frage zu entbinden. 

Sie haben wiederholt die Informationspolitik der Bundesregierung in der Corona-Krise angeprangert – sehen Sie das vor dem nächsten Gipfel der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten am Dienstag anders? 

Lindner: Es kann nicht sein, dass der Bundestag dieses Woche berät, es dort sogar eine Regierungserklärung zu Corona gibt – und zeitgleich bereitet das Kanzleramt einen sogenannten Mega-Lockdown vor. Die Gelegenheit, den Deutschen Bundestag zu informieren und einzubinden, wurde offenbar bewusst versäumt. Die Öffentlichkeit hat aber ein Recht auf Information und die Debatte über Alternativen, die mehr Freiheiten erhalten.

Maßnahmen, die für einen solchen Mega-Lockdown im Raum stehen, sind die Stilllegung von Betrieben und eine Pflicht, von zuhause zu arbeiten. Was halten Sie davon? 

Lindner: Ich bin in größter Sorge um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemiebekämpfung. Wir sehen viele Schülerinnen und Schüler, die abgehängt werden und das Lernen ganz neu lernen müssen. Uns droht in der Wirtschaft eine dramatische Insolvenzwelle. Die pauschale und komplette Stilllegung der Produktion halte ich daher für unverhältnismäßig, genauso wie eine generelle Pflicht, von zuhause zu arbeiten. Das sollen die Unternehmen selber entscheiden, das können sie nämlich viel besser als die Politik.