Wir wollen einen Politikwechsel

Christian Lindner
Bild NRW

Die FDP plakatiert "Nichtstun ist Machtmissbrauch". Heißt: Sie stünden auch für eine rot-gelbe Koalition zur Verfügung?

Lindner: Wir stehen nur für einen Politikwechsel zur Verfügung. Mir fehlt die Phantasie, dass Hannelore Kraft plötzlich eine andere Politik machen will als in den letzten sieben Jahren. Ich gehe also davon aus, dass die SPD die CDU billiger einkaufen kann als eine frische, tatendurstige FDP.

Aber Sie würden in Koalitionsverhandlungen gehen...

Lindner: Wir wollen drittstärkste Kraft werden, um in Koalitionsverhandlungen etwas für beste Bildung, die Entfesselung der Wirtschaftskraft und Rechtsstaat statt Bürokratismus tun zu können. Aber die FDP würde lieber in die Opposition gehen als faule Kompromisse zu machen. Ich ahne, dass Frau Kraft  ihre vielleicht letzte Amtszeit vermutlich lieber mit dem umgänglichen Armin Laschet im Kabinett verbringen will, als mit einer FDP, die sich viel vorgenommen hat.

Was würden Sie in einer Groko von einer mitregierenden CDU erwarten?

Lindner: Ich erwarte von der CDU dann nichts. Deshalb wären wir selbst als Opposition wichtig. Man sieht im Bundestag, was passiert, wenn es nur Opposition von links gibt.

Sie treten als Spitzenkandidat erst in NRW und dann bei der Bundestagswahl an. Planen Sie ihre Zukunft in Düsseldorf oder Berlin?

Lindner: Berlin. Viele negative Entscheidungen, wie die PKW-Maut, werden dort getroffen, weil NRW sich politisch verzwergt hat. Ich möchte aber auch das politische Comeback der FDP im Bund erreichen. Es gäbe kein Ministeramt der Welt in NRW, das mich von diesem Plan und dem gegebenen Wort abhält.

Was haben Sie eigentlich gegen die Grünen?

Lindner: Ich habe etwas gegen die Ideologisierung der Landespolitik. Diese grün-rote Wirtschaftspolitik ist Sabotage, packt auf alle Vorgaben aus Brüssel und Berlin immer noch ein Verbot und eine Pflicht zusätzlich drauf. Das kostet Arbeitsplätze und Wohlstand, bringt der Umwelt aber nichts. Oder Grün-Rot erfindet selbst noch neue Vorschriften und Verbote, wie die unsinnige Hygieneampel. Und die grüne Schulpolitik von Frau Löhrmann gleicht dem Blick in einen Altglascontainer: Nichts als  ein grüner Scherbenhaufen.

Was prangern Sie bei der Schulpolitik an?

Lindner: Frau Löhrmann darf nach dem 15. Mai keine Verantwortung mehr für die Zukunft unserer Kinder haben. Sie steht für eine massive Diskriminierung und Vernachlässigung der Gymnasien, Schwächung der beruflichen Bildung, massiven Unterrichtsausfall und eine Inklusion, die aus der guten Idee eine Ideologie gemacht hat, unter der die Schüler leiden.

Sie fordern fast täglich den Rücktritt von Innenminister Jäger. Wäre das eine Bedingung für eine Koalition mit der SPD?

Lindner: Mit jemandem, dessen Rücktritt man fordert, kann man nicht in dieser Position am Kabinettstisch sitzen.

Leben die Menschen in NRW weniger sicher als in anderen Bundesländern?

Lindner: Ganz offensichtlich. Die Einbruchskriminalität ist massiv gestiegen, die Aufklärungsquote aber stagniert. Die Sicherheit der Menschen leidet darunter, dass wir einen Innenminister haben, der überwiegend damit beschäftigt ist, sich selbst zu verteidigen, statt die Sicherheit und das Eigentum der Bürger. Herr Jäger ist die Verkörperung des Misstrauensvotums der Menschen in unseren Rechtsstaat.

Ihre Pläne für mehr Sicherheit?

Lindner: Die Polizei muss gestärkt werden, etwa dadurch, dass auch gute Realschüler wieder in den Dienst aufgenommen werden. Die Zahl der Neueinstellungen muss erhöht werden, da sich die Sicherheitslage heute fundamental von der etwa im Jahr 2005 unterscheidet. Und wir müssen die Polizei von bürokratischen Aufgaben und PR-Shows, wie dem Blitzermarathon befreien. Wir benötigen flankierend ein europäisches Sicherheitskonzept mit einer Art europäischem FBI.

Wir nannten NRW jüngst das "deutsche Griechenland". Teilen Sie diese Einschätzung?

Lindner: Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass wir hier von einem Kabinett Kraftikakis  regiert werden. Inzwischen ist der Staat aber so maßlos bei den Steuern, dass selbst Rot-Grün in NRW es nicht mehr schafft, neue Schulden aufzunehmen.

Warum perlt alle Kritik an Hannelore Kraft ab?

Lindner: Da perlt nichts ab. Sie hat es nur geschafft, die ganze Kritik auf eine Seite zu verschieben: Auf ihren grünen Partner, den sie regelrecht ausgesaugt hat.

Christian Lindner überall - ist die FDP eine Ein-Mann-Show geworden?

Lindner: Ich bin das Gesicht, auf das die Menschen in unserer Mediengesellschaft schauen, wie bei der SPD Frau Kraft und bei der CDU Herr Laschet. Wir arbeiten aber als Team.


Wie sieht momentan Ihr Arbeitstag aus?

Lindner: Er beginnt gegen acht und endet so gegen 23 Uhr. Allein heute (guckt in sein Smartphone) habe ich neun Termine, Sie sind die Nr. 7.

Wie hält man so ein Pensum durch?

Lindner: Die vier Jahre APO im Bundestag waren eine besonders herausfordernde Zeit, das war meiner Frau und mir klar. Auf Dauer geht das aber nicht. Ich freue mich auf eine Zeit, in der ich weiter viel arbeiten, aber auch wieder Zeit für Freunde, Familie und ganz private Leidenschaften habe.