Mit der FDP wird es keine Steuererhöhungen geben

Christian Lindner
BILD am Sonntag

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Herr Lindner, bei der Wahl 2017 lag die FDP noch vor den Grünen. Inzwischen sind die auf Platz 1 geschossen. Trauen Sie Annalena Baerbock das Kanzleramt zu?

Lindner: Ich kann die teilweise geäußerte Häme nicht verstehen. Wenn eine Angehörige meiner Generation sich das zutraut, ist das spannend. Allerdings sollte Frau Baerbock nun die wolkigen Worte durch klare Ansagen ersetzen, damit man den Führungsanspruch prüfen kann.

Was erwarten Sie von ihr?

Lindner: Frau Baerbock sollte sagen, ob sie sich auch von der Linkspartei ins Kanzleramt wählen lassen würde. Dann können die Menschen beurteilen, ob sie diesen Linksruck Deutschlands wirklich wollen. Und sie sollte sagen, wo überall Freiheit durch Verbot ersetzt werden soll.

Würden Sie in eine Regierung Baerbock eintreten?

Lindner: Über Koalitionen entscheiden wir nach Inhalten. Wir schließen jegliche Steuererhöhungen aus. Grüne, SPD und Linkspartei wollen dagegen breitflächige Steuererhöhungen. 

Die Grünen wollen nach eigenen Aussagen die Top-Verdiener stärker zur Kasse bitten, nicht die breite Masse.

Lindner: Das sind Worte der Tarnung. Betroffen wären die Familienbetriebe des Mittelstands und die Fachkräfte, von deren Fleiß und Einfallsreichtum wir alle profitieren.

Also gibt es mit der FDP auch keine Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder Reichensteuer?

Lindner: Wir sind im weltweiten Vergleich schon ein Hochsteuer-Standort. Wenn man Steuern erhöhen will, dann bitte für Google, Apple, Amazon und Facebook, die ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten müssen. Alles andere halte ich nach einer Wirtschaftskrise für Gift.

Heißt: keine Ampel-Koalition mit einer Steuererhöhung?

Lindner: Wir wollen, dass Deutschland nach Corona aufholt. Für die nächste Krise müssen wieder Reserven aufgebaut werden. Es müssen neue Arbeitsplätze für diejenigen geschaffen werden, die ihren in der Krise verloren haben. Die Wirtschaft muss in neue Technologien investieren, um Klimaschutz zu einem Wachstumsthema zu machen. Das Aufstiegsversprechen muss erneuert werden, inklusive des Traums von der eigenen Wohnung auch für Normalverdiener. Das alles würde verhindert, wenn der Staat den Menschen noch mehr abnimmt als bisher. Im Gegenteil, wir werden für Entlastung arbeiten.

Was ist Ihr Wahlziel?

Lindner: Wir wollen Schwarz-Grün und Grün-Rot-Rot verhindern. Die FDP muss dafür zweistellig werden. Wir wollen dafür sorgen, dass Deutschland weiter aus der Mitte regiert wird.

Schwarz-Grün ist für Sie nicht Mitte?

Lindner: Nein. Bei der Union ist einiges ins Rutschen gekommen. Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel war grün. Friedrich Merz hat neulich Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen. Armin Laschet hat diese Woche die Idee der grünen Partei aufgegriffen, die Schuldenbremse des Grundgesetzes mit einem Schuldentopf neben dem Staatshaushalt zu umgehen. Markus Söder sprach vor einiger Zeit noch von Asyltourismus, jetzt kann es nicht grün genug sein. CDU und CSU lassen sich von den Grünen nach links treiben, die politische Mitte wird geräumt. Das ist eine große Verantwortung für uns.

Aber wer FDP wählt, weiß auch nicht, woran er ist: Er kann einen Kanzler Laschet kriegen, eine Kanzlerin Baerbock oder einen Kanzler Scholz.

Lindner: Im Gegenteil weiß man bei uns genau, woran man ist. Wir haben 2017 bewiesen, dass wir im Zweifel auf Ministerposten verzichten, wenn wir unser Wort brechen müssten. Andererseits haben wir mit Armin Laschet und der CDU 2017 in NRW auch schnell eine Regierung gebildet, weil wir in der Sache gut übereingekommen sind.

Schleswig-Holstein öffnet seine Hotels, Restaurants und Campingplätze für Touristen. Richtig so?

Lindner: Schleswig-Holsteins Öffnungsstrategie ist ein Modell für ganz Deutschland. Es ist höchste Zeit, dass Geimpfte, Genesene und tagesaktuell getestete Menschen wieder mehr Freiheiten bekommen. Mit Hygienekonzepten sollten Handel, Gastronomie, Hotellerie, Kultur- und Sporteinrichtungen außerhalb der Hotspots jetzt ihre Türen für Kunden und Gäste aufmachen dürfen.

Kritiker warnen vor den Risiken: Zwei Drittel der Deutschen haben noch gar keine Impfung erhalten, 90 Prozent haben noch keinen vollständigen Impfschutz.

Lindner: Ja, deshalb ist weiter Vorsicht angezeigt. Aber die Betriebe haben Vertrauen verdient. Außerdem können wir das Impftempo weiter steigern. Es gibt immer noch Millionen unverimpfte Dosen, die beispielsweise für die zweite Impfung zurückgelegt sind. Diese sollten wir in den nächsten Wochen über die niedergelassenen Ärzte alle nutzen. Gleichzeitig sollten wir den Zeitpunkt zwischen erster und zweiter Impfung maximal strecken.

Muss man dafür die Impfpriorisierung aufgeben?

Lindner: Ich sehe sie als Orientierungshilfe. Die Ärzte sollen pragmatisch impfen. Ehepaare etwa sollten gemeinsam geimpft werden können.

Rechnen Sie noch mit einem digitalen Impfpass vor Sommerbeginn?

Lindner: Der fälschungssichere digitale Impfpass ist überfällig und ein Beispiel, dass wir dringend ein spezielles Digitalministerium in der Bundesregierung brauchen. Schon letztes Frühjahr war klar, dass wir einen digitalen Impfnachweis brauchen werden.

Ist der Gesundheitsminister schuld?

Lindner: Ich bin kein Freund von Schuldzuweisungen. Die Menschen können sich selbst ein Urteil bilden. Deutschland sollte jedenfalls öfter Anregungen bei Nachbarländern holen, als weiter nach einer „Bundesgoldrand-Lösung“ zu suchen.