Manchmal zählt nicht das Ergebnis allein, sondern auch der Weg

Christian Lindner
BUNTE

Sie konnten sich mit 19 Jahren bereits einen Porsche leisten.

Lindner: Ja, ich habe mich schon als Schüler selbstständig gemacht. Von meinem selbst verdienten Geld habe ich mir einen Porsche gekauft. Das war vielleicht nicht klug, aber notwendig – Sportwagen sind meine Leidenschaft. Später habe ich den Wagen abgegeben, weil ich als blutjunger Abgeordneter so nicht vor Schulen und Betrieben vorfahren wollte. Die Menschen hätten meinen Hintergrund nicht gekannt und es als Provokation auffassen müssen. Heute kann ich ganz entspannt über meine Leidenschaft sprechen. Denn ich habe nichts in meinem Leben geerbt, mir hat niemand etwas geschenkt. Ich bekenne mich zu allem, was ich denke, mache, habe und sage.

Selbst Ihre politischen Feinde gestehen Ihnen eines zu: Ehrlichkeit…

Lindner: Ich bin gerne ein stehendes Ziel. Man kann mich leicht treffen. Ich bin Vorsitzender der Partei der Freiheit. Würde ich mir Denkschablonen auferlegen oder meine Persönlichkeit verstecken, könnte ich diesen Freisinn, der uns auszeichnet, doch gar nicht repräsentieren. Wer, wenn nicht ich, sollte in der Lage sein, unbequeme und kantige realistische Positionen auszusprechen? Wir wollen uns nicht von Besserwissern, Moralaposteln oder Neidern dieses eine kurze Leben zum Gefängnis machen lassen.

Haben Sie genug Personal, um wieder vorn mitzumischen?

Lindner: Klar, wir sind im Moment nicht mit so vielen Personen unterwegs wie andere. Das ist aber keine Taktik, sondern so sind eben die Gesetzmäßigkeiten der Mediendemokratie. Die ändern sich, wenn wir wieder im Bundestag sein werden. Ich bin mir sicher, dass wir eine tolle neue Fraktion haben werden. Da werden auch spannende neue Köpfe dabei sein. Manche versuchen uns einzureden, dass dies ein Nachteil sei. Ich sehe es als klaren Vorteil, dass wir Leute aus Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft nach dem 24. September in politische Verantwortung bringen wollen. Die sogenannte Regierungserfahrung ist oft auch nur eine Entschuldigung, nichts Neues probieren zu wollen und in eingetretenen Pfaden unterwegs zu sein.

Finden Sie es schade, dass Ihre verstorbenen Parteifreunde Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher das Comeback der FDP nicht mehr miterleben?

Lindner: Wir wollen das Wahlergebnis nicht vorwegnehmen, aber natürlich hätte ich mich gefreut, wenn die beiden erlebt hätten, dass und wie die FDP zurückkommt. Die Freien Demokraten haben sich während der Auszeit sehr verändert. Früher waren wir thematisch enger. Heute setzen wir den einzelnen Menschen ins Zentrum, den wir durch Bildung stark machen wollen, aber vor übermächtigen Konzernen, Bürokratismus, Abkassieren, Bespitzeln und anderen Gefahren für seine Freiheit schützen wollen.

Sie haben im Wahlkampf für die auffälligsten Plakate gesorgt. Der bekannteste Spott dazu lautet: „Alle elf Minuten verliebt sich ein Liberaler in sich selbst.“ Sind Sie eitel?

Lindner: Verliebt hat sich höchstens Deutschland – und zwar in den Status quo der Gegenwart. Unsere Kampagne hat zwei Zwecke. Zum einen sind wir eine Partei ohne Minister und Abgeordnete, also müssen wir auffällig kommunizieren, damit wir wahrgenommen werden. Zum anderen ist bereits die Art unseres Auftretens eine Botschaft: Die Freien Demokraten haben sich erneuert, weil sie Deutschland erneuern wollen. Digitalisierung, Demografie und Zuwanderung sind explosive Themen, die wir zum Treibstoff des Fortschritts machen wollen. Wir finden uns nicht damit ab, dass Deutschland auf der Stelle tritt. Insbesondere bei der Bildung von Kindern und Jugendlichen sind wir abgehängt. Deshalb steht das bei uns ganz groß auf den Plakaten.

Ihre Frau ist Politik-Journalistin. Ist sie Ihr Korrektiv?

Lindner: Meine Frau ist eine eigenständige Persönlichkeit. Deshalb hat sie auch eine eigene Meinung. Zum Beispiel meine Äußerungen zur Krim-Krise musste ich auch zu Hause erklären. Mir ging es da ja nicht um ein pauschales Entgegenkommen für Putin, sondern um zugleich mehr Dialogbereitschaft mit Russland und mehr Konsequenz, falls der Kreml seine Politik nicht ändert. Meine Frau, meine Familie und meine Freunde waren in den letzten vier Jahren enorm wichtig, obwohl ich sie seltener gesehen habe, als mir lieb ist. Die Widerstände waren und sind doch so groß, dass man es nur schaffen kann, wenn es Leute gibt, die an einen glauben. Damit meine ich nicht nur Parteifreunde, sondern vor allem das persönliche Umfeld.

Sind alle Lindners Mitglieder der FDP?

Lindner: Tatsächlich, inzwischen ja. Bis auf meine Frau, sie ist unabhängig. Ich arbeite seit 24 Jahren für die FDP. Wäre es mir in dieser Zeit nicht gelungen, zumindest meine Eltern davon zu überzeugen, dass das eine gute Sache ist, dann hätte ich dramatisch etwas falsch gemacht. In diesem Jahr habe ich den letzten Treffer gelandet. Meine Stiefmutter, seit 30 Jahren die zweite Frau meines Vaters, ist in die FDP eingetreten.

Ihre Eltern trennten sich, als Sie fünf Jahre alt waren. Ihre Mutter war 19 bei Ihrer Geburt, heißt es…

Lindner: Nein, sie war erst 17. Ich hatte keine Rama-Bilderbuchfamilie. Aber trotzdem eine Kindheit und Jugend, in der mir nichts gefehlt hat. Eher im Gegenteil, meine Eltern hatten ja beide neue Partner, sodass sich die Zahl der Mütter, Väter, Opas und Omas verdoppelt hat. Ich wäre nicht der geworden, der ich heute bin, ohne meine Familie und Freunde. Meine Familie erzog mich nach bestimmten Werten. Und bei allen Experimenten und Risiken, die ich seit meinem 18. Geburtstag eingegangen bin, wusste ich, dass im Notfall jemand da wäre. Das hat nicht jeder. Deshalb bin ich dankbar. Ich setze mich für Bildungsfragen und Gründerkultur ein, damit auch andere solche Chancen bekommen wie ich.

Wünschen Sie sich Kinder?

Lindner: Das Schöne im Leben ist, dass jeden Tag ein neues Kapitel eröffnet werden kann.

Haben Sie noch einen Traum?

Lindner: Irgendwann hätte ich gern so viel Zeit, dass ich mir in einer großen Garage ein altes, abgewracktes Auto hinstellen könnte, um es mit Freunden zu restaurieren. Die Samstage wären zwischen 13 und 19 Uhr dafür reserviert, um vielleicht einen 45 Jahre alten Schrott-BMW wieder aufzubauen. Und da ich bislang handwerklich nicht sonderlich begabt bin, müsste ich für jeden Arbeitsschritt das Nötige erst lernen. Manchmal zählt nicht das Ergebnis allein, sondern auch der Weg.