Im Zweifel machen wir lieber Opposition

Christian Lindner
Westdeutsche Zeitung

In der jüngsten den Umfragen liegt Hannelore Kraft weit vorne. Gibt es in NRW überhaupt keine Wechselstimmung?

Lindner: Doch, die jetzige rot-grüne Regierung hat keine Mehrheit mehr. Die Menschen sind mit der Regierung nicht zufrieden. Hannelore Kraft profitiert nur vom massiven Absturz der Grünen, bei denen wie letztes Jahr in Rheinland-Pfalz Beobachter schon spekulieren, ob sie die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Das liegt vor allem an der gescheiterten Bildungspolitik von Sylvia Löhrmann, der Prestigeprojekte wichtiger waren als Qualität im Klassenraum.

Laut der letzten Erhebung hätte aber Rot-Gelb eine Mehrheit. Werden wir die Wiederauferstehung sozialliberaler Koalitionen erleben?

Lindner: Wir haben die Beteiligung an einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen ausgeschlossen. Das gilt weiter nach der Wahl, übrigens auch nach der Bundestagswahl. Die Grünen träumen von einen Richtungswechsel bei uns, um doch an der Macht zu bleiben. Das wird nichts. Darüber hinaus sind wir offen für Gespräche, weil wir das Land ja verändern wollen. Aber eine sozialliberale Mehrheit hätte es schon seit 2012 gegeben. Hannelore Kraft hat sich lieber an die Grünen gekettet und mit ihnen zusammen mit Mittelstand und dem Handwerk bürokratische Knüppel zwischen die Beine geworfen. Mir fehlt im Moment die Phantasie, dass der Wahltermin am 14. Mai aus Frau Kraft plötzlich eine ganz andere Politikerin machen wird.

Angesichts ihrer massiven Kritik an der Ministerpräsidentin könnten Sie dann auch heute eigentlich schon sagen: Nein, wir verhelfen ihr nicht zu einer neuen Amtszeit.

Lindner: Wir werden in keinem Fall die rot-grüne Regierungspolitik fortsetzen, darüber hinaus stehen wir aber als gute Demokraten für Gespräche über einen Politikwechsel zur Verfügung. Wir brauchen Flächen für Wohnungsbau, Investitionen in die Infrastruktur, weniger Bürokratie und ein besseres Bildungssystem. Wir sind keine Protestpartei, aber im Zweifel machen wir lieber Opposition, als faule Kompromisse zu schließen.

Martin Schulz spekuliert im Bund auch auf  eine Ampelkoalition als Alternative zu Rot-Rot-Grün. Schieben sie vor solche Überlegungen jetzt auch schon einen gelben Riegel wie in NRW?

Lindner: Noch gibt es ja keine Wahlprogramme. Was ich aber von Martin Schulz höre, erinnert doch sehr an die gescheiterte Politik von Francois Hollande in Frankreich. Höhere Steuern, mehr Staat. Oder jetzt die Abwicklung der Agenda 2010. Stattdessen müsste man doch mehr dafür tun, um Menschen zu befähigen, ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Also Geld in die Bildung stecken, auch in die digitale Infrastruktur.

Aber die Tür machen Sie da jetzt noch nicht zu?

Lindner: Ich schließe aus, dass wir Steigbügelhalter für einen Linksruck werden. Ansonsten wollen im Wahlkampf über Inhalte sprechen. Und nicht über Koalitionsaussagen. Mit wem eine Politik für mehr Flexibilität, mehr Investitionen, schlanke Bürokratie, weniger Steuern und Kontrolle bei der Zuwanderung umsetzbar ist, steht in den Sternen.