Die Position der Grünen ist ein Konjunkturprogramm für die AfD

Christian Lindner
BILD

Herr Lindner, wie ist die Stimmung bei den Sondierungen? Grünen-Chef Cem Özdemir trinkt Apfel-Karotten-Saft. Haben Sie schon angestoßen?

Lindner:
Ich trinke Orange-Karotte, Özdemir Apfel-Karotte.Die Stimmung ist menschlich kollegial. Politisch sind wir weit entfernt. Die Chance liegt nach wie vor bei 50:50.

Sie sind sich also nach zwei Wochen Sondierungen keinen
Prozentpunkt nähergekommen?

Lindner:
So ist es. Momentan werden Themen sortiert. Erst ganz am Ende gibt es Klarheit.

Nehmen Sie Neuwahlen in Kauf?

Lindner:
Darüber spekuliere ich nicht. Wir wollen eine Regierung, die etwas bewegt. Wenn das nicht möglich ist, geht die FDP in die Opposition.

Warum sprechen Sie immer von „Kleeblatt“-Koalition statt von
Jamaika?

Lindner:
Weil die Wirtschaftskraft und die Lebenslage der Menschen in
Jamaika kein Vorbild für Deutschland ist.

Dass alle Kleeblätter grün sind, stört Sie nicht?

Lindner:
Wieso? Wir wollen auch die Umwelt schützen, nur setzen wir auf Technologie und Kreativität der Menschen, die Grünen lieber auf Staat und Verbote.

Beim Thema Verkehr stehen noch immer Fahrverbote für Diesel-Pkw im Raum. Müssen Diesel-Fahrer weiter zittern?

Lindner:
Mit der FDP wird es keine Fahrverbote geben. Schon vor der
Wahl haben wir gesagt, dass Diesel-Fahrer nicht geschädigt werden
dürfen. Durch Digitalisierung und Elektrifizierung kann man den Verkehr ökologischer machen. Da die Luft schon so gut ist, sollten wir uns notfalls bei noch strengeren EU-Grenzwerten mehr Zeit lassen.

Außerdem wollen die Grünen bis 2030 ein Ende des
Verbrennungsmotors...

Lindner:
Das ist bislang nicht ernsthaft vorgetragen worden. Diesen
Realismus begrüße ich.

Die CSU will sich beim Thema Migration keinen Millimeter bewegen. Wie realistisch ist da eine Einigung?

Lindner:
Auf die Standhaftigkeit der Union hoffe ich. Der neue Kompromiss von CDU und CSU entspricht weitgehend dem, was wir seit Monaten sagen. Allerdings muss es für qualifizierte Zuwanderer in einem Einwanderungsgesetz weniger Bürokratie geben, für sonstige Migration mehr Kontrolle. Der Familiennachzug muss ausgesetzt bleiben, weil wir in Schulen und beim Wohnen an der Grenze sind. Die Position der Grünen ist in der Bevölkerung nicht mehrheitsfähig und ein Konjunkturprogramm für die AfD.

Streit gibt es auch noch beim Ausstieg aus der Kohle-Förderung. Wie geht das aus?

Lindner:
Die Union hat das öffentlich ausgeschlossen.

Also kein Ausstieg aus dem Kohle-Strom?

Lindner
: Die Grünen müssen erklären, wie der Kohleausstieg in
Deutschlang funktionieren soll, ohne dass die Energie unsicher und teuer wird und wir unser Industrieland mit Strom aus Frankreich und Polen versorgen müssen. Eine Politik, die für das Weltklima nichts bringt, aber Arbeitsplätze kostet, könnten wir nicht unterstützen.