Bin zutiefst überzeugt von dem, was wir machen

Christian Lindner
BUNTE

Mal ehrlich: Ihre Partei ist seit vier Jahren raus aus dem Bundestag. Wozu braucht es überhaupt noch die FDP?

Lindner: Die augenblickliche politische Konstellation zeigt doch, was im Bundestag fehlt. Schulz wirbt für eine Agenda 1995. Und die Leute jubeln, dass da wieder einer ist, der Wünsch-dir-was verspricht. Frau Merkel will eigentlich nichts. Außer wiedergewählt werden. Aber in der Sache kennen wir kein Programm für die Zukunft unseres Landes. Die FDP will eine Agenda 2030, die Deutschland flexibler, liberaler, digitaler und weltoffener macht. Und den Bundestag wieder lebendiger. Selbst Dietmar Bartsch wünscht sich die FDP zurück ins Parlament. Wenn also selbst der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei erwägt, uns seine Zweitstimme zu geben, um die parlamentarische Demokratie zu beleben, ist das doch ein deutliches Signal.

Sollten Sie im Herbst an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wäre das der endgültige Exodus für Ihre FDP.

Lindner: Ich bin viel optimistischer als Sie. Die Umfragen sind gut, aber für mich gar nicht entscheidend. Wir haben einen enormen Zulauf an neuen Mitgliedern und das ist für mich der wichtigste Indikator. Wir können keine Karrieren anbieten. Und doch wollen Menschen unser optimistisches Lebensgefühl teilen. Sie schließen sich uns freiwillig an, da wir tolerant sind, neugierig auf die Zukunft und weil wir an der europäischen Idee festhalten wollen.

Wie lebt es sich damit, täglich unter diesem enormen Erfolgsdruck zu stehen?

Lindner: Um ehrlich zu sein: Ich verspüre keinen Druck. Ich bin zutiefst überzeugt von dem, was wir machen. Wir haben die FDP erneuert und ich bin einfach überzeugt davon, dass wir wieder zu uns selbst gefunden haben. Die Partei hat sich verändert. Wenn die FDP im September in den Bundestag zurückkehrt, ist sie eine andere Partei: liberaler, optimistischer, angstfrei, von Opportunismus befreit. Eine Partei, die einfach für sich steht.

Welche Konkurrenz fürchten Sie mehr, die AfD oder die Grünen?

Lindner: Weder noch. Die AfD auf keinen Fall. Das ist eine autoritäre Partei. Wer so denkt, wer so ein Menschen- und Gesellschaftsbild hat, den kann und will ich von der FDP auch gar nicht überzeugen.

Sind die Grünen in Ihren Augen bereits in der historischen Biotonne gelandet?

Lindner: Die FDP ist die letzte Partei, die hämisch über andere sprechen sollte. Wir hatten selbst sehr schwierige Phasen. Ich habe Respekt vor allen Wettbewerbern. Es braucht eine CDU als konservative Partei, die zuerst den Ordnungsgedanken betont. Die Sozialdemokratie, die auf sozialen Ausgleich setzt, auch davor habe ich Respekt. Und es braucht eine Partei, die die ökologische Verantwortung in das Zentrum stellt. Nur sollte man das mit dem Kopf und den Instrumenten der Marktwirtschaft umsetzen und nicht immer mit erhobenem Zeigefinger und Bürokratismus.

Konnten Sie mit dem früheren Parteichef Guido Westerwelle vor seinem Tod über die neue Entwicklung der FDP sprechen?

Lindner: Ja, ich traf ihn noch in seinem letzten Sommer auf Mallorca zu einem wunderbaren Grillabend bei ihm und seinem Mann Michael. Das war ein bewegender Moment. Ich verrate kein Geheimnis, dass wir zu den Zeiten, als wir beide in Ämtern waren – ich damals als sein Generalsekretär –, kein enges persönliches Verhältnis hatten. Ein professionelles Verhältnis ja, aber eben kein enges, persönliches. Und dieser Grillabend war die Begegnung, bei der ich in meinem Leben am längsten mit ihm persönlich Zeit verbrachte. Und es ist sehr schade, dass es da kein Follow-up hat geben können, weil seine schreckliche Erkrankung ohne Gnade sein Leben viel zu früh beendet hat.

Ihre Frau ist politische Journalistin. Über welche Themen streiten Sie beide?

Lindner: Wir haben natürlich unterschiedliche Meinungen, weil meine Frau eine eigenständige Person ist. Wir haben aber keinen Streit. In bestimmten Bereichen haben wir gefestigte, unterschiedliche Meinungen. Das macht eine Partnerschaft ja interessant. Meine Frau ist eine Anhängerin der Frauenquote, während ich der Auffassung bin, dass qualifizierte starke Frauen sich auch ohne eine solche Quote durchsetzen können. Die gegenwärtige zu geringe Repräsentanz und Führungspositionen von Frauen sind einfach eine Generationenfrage. Früher waren viele Frauen eingeklemmt zwischen Mutterrolle und Karriere. Diese Probleme gibt es heute nicht mehr so stark – außer in Nordrhein-Westfalen, wo wir bei der Betreuung von unter Dreijährigen weit hinten sind.

Sie zählen zu den stärksten Kritikern von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Gibt es auch etwas, das sie in Ihren Augen besonders gut kann?

Lindner: Nordrhein-Westfalen kann besonders gut Stau und Einbruch. Ansonsten spreche ich bei Haushaltsdebatten im Kabinett schon seit Jahren vom „Kabinett Kraftikakis“. Nordrhein-Westfalen ist unter der Führung von Hannelore Kraft leider zum deutschen Griechenland geworden. Ich prognostiziere, dass ihre Regierung keine Mehrheit mehr haben wird.

Wie stehen die Prognosen im Hause Lindner für mögliche geplante Kinder?

Lindner: Ich bin aufgeschlossen für liberales Wachstum im ganz persönlichen Bereich. Aber gegenwärtig ist das bei uns kein aktuelles Thema.