Donald Trump zu bashen, ist modern geworden. Das gilt nicht nur für Europa. Das habe ich auch in Washington erlebt, wo eine Delegation der FDP-Bundestagsfraktion gerade neue Gesprächsfäden knüpfte. Einem Liberalen macht Trump es ja auch nicht leicht: Er steht als Präsident für wirtschaftliche und gesellschaftliche Unfreiheit zugleich. Einerseits will er den freien Welthandel strangulieren, andererseits setzt er Muslime und andere Minderheiten herab.

Trotzdem müssen wir Trump ernst nehmen, auch wenn wir nicht jede Äußerung wörtlich nehmen sollten. Wer diesen Präsidenten nur pathologisiert, der kommt nicht weiter. Auf eine zweite Amtszeit werden wir uns vielleicht einrichten müssen. Trumps Politikstil darf nicht verdecken, dass nicht jedes seiner Argumente falsch ist. Es ist mehr Coolness nötig. Denn Donald Trump ist nicht die USA. Wer sich in Washington umhört, der stößt auch auf Offenheit gegenüber europäischen Anliegen. Wir brauchen mehr Austausch und nicht weniger. Dazu gehören zum Beispiel Regierungskonsultationen auf Ministerebene.

Die Präsidentschaft Trumps bietet auch die Chance, dass Europa stärker zusammenfindet. Der US-Präsident wie auch Wladimir Putin müssen erkennen, dass sie die EU nicht spalten können, damit deren einzelne Mitglieder jeweils schwächer auf der Weltbühne sind. Die EU als Ganzes ist ein so großer Wirtschaftsraum, dass niemand uns einfach übergehen kann.

Wir dürfen andererseits auch nicht in plumpen Antiamerikanismus verfallen. Europa ist nicht der Gegner der USA. Genauso wenig dürfen die USA bei uns als Feind wahrgenommen werden. Ein gutes transatlantisches Verhältnis liegt auch in unserem Eigeninteresse. Orientieren wir uns an autokratisch geführten Staaten wie Russland, dann gerät unser eigenes Wertegerüst ins Wanken.

Falsch wäre es, wenn wir bestehende Regeln selbst nicht beachten würden. Es wäre ein Signal an Länder wie China, die sich an die Ordnung der Welthandelsorganisation schon jetzt nicht halten. Donald Trump hat Recht, wenn er hier den Finger in die Wunde legt. So will China vom freien Handel profitieren, verzerrt mit staatskapitalistischen Konzernen, verdeckten Subventionen und Marktbarrieren aber den Wettbewerb. Unsere Antwort darauf kann keine grundsätzliche Schwächung des Welthandelssystems sein, wie sie dem US-Präsidenten vorschwebt. Denn die WTO-Regeln bieten noch immer den besten Schutz vor Willkür.

Was wir jetzt brauchen, sind eine Freihandelsinitiative Europas und ein Anlauf für eine neue Welthandelsordnung. Entscheidend ist, dass wir das WTO-Recht konsequent weiterentwickeln, durchsetzen und an die aktuellen Herausforderungen anpassen. So wäre zum Beispiel unter dem Dach der WTO ein Investitionsgerichtshof denkbar. Aufgabe der Bundesregierung wäre es, konsequent für den Freihandel einzutreten. Wo aber ist das im Koalitionsvertrag angekündigte „Kompetenzzentrum Handel“, wo ist die koordinierte Außen-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik?

Die USA und Europa haben im Prinzip gleiche Interessen. Trump sollte verstehen, dass die EU hier an der Seite der USA stehen. An die Adresse des US-Präsidenten sollte man sagen: Wenn er keine Einfuhrzölle nach Europa möchte, dann können wir über deren Abschaffung sprechen. Umgekehrt müsste das dann aber auch für die Handelsbeschränkungen der USA gelten. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sollte die Initiative des amerikanischen Finanzministers Steven Mnuchin für ein neues Freihandelsabkommen bei seinem Besuch in Washington unmittelbar aufgreifen.

Mit seinen Steuersenkungen macht Trump die US-Wirtschaft wettbewerbsfähiger. Das wird auch Auswirkungen auf Deutschland haben. Gerade erst wurde beim Tag der Steuerzahler bekannt, dass von einem verdienten Euro nur 45,7 Cent übrigbleiben. Sogar der Internationale Währungsfonds bemängelt, dass den Bürgern in Deutschland zu wenig in der Tasche bleibt.

Trump hat auch Recht, wenn er die mangelhafte Verteidigungsbereitschaft der Europäer beklagt. Aber die Fixierung auf das rein militärische Zwei-Prozent-Ziel hilft uns nicht weiter. Auf unsere Fähigkeiten insgesamt kommt es an, denn erfolgreiche Sicherheitspolitik ist mehr als nur Verteidigung. Es ist lange überfällig, eine gemeinsame Strategie unserer Ressorts für internationale Politik zu entwickeln, in einem Weißbuch zusammenzuführen und dann nachhaltig in Diplomatie, Bundeswehr und Entwicklungszusammenarbeit zu investieren. Das kann uns dann auch drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes wert sein.

In Europa mag man sich einen anderen Präsidenten als Donald Trump wünschen. Seine Wahl zum 45. Präsidenten aber ist Realität – und wir dürfen nicht immer nur auf die anderen zeigen, sondern müssen uns an die eigene Nase packen. Dann wird die transatlantische Freundschaft auch diesen Sturm überstehen.