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Die deutsche Bildungslandschaft ist aus der Zeit gefallen. 16 Bundesländer leisten sich 16 unterschiedlichste Schulsysteme. Umziehende Familien können davon viele Geschichten erzählen - darüber zum Beispiel, dass ihre elfjährigen Kinder nach einem Ortswechsel von einem Gymnasium wieder in eine Grundschule zurückmussten. Elf Millionen Schüler sehen sich damit konfrontiert, dass ihre Abschlussnoten über Lebenschancen entscheiden, die Abschlüsse selbst aber gar nicht vergleichbar sind. Die Bundesländer sind zwar stolz auf die Schulpolitik als ihr verfassungsrechtliches „Hausgut“. In ganz Deutschland fehlen aber trotzdem schon jetzt 15 000 Lehrer. Die Folge: Deutschland ist weit entfernt von Pisa-Siegern wie Estland, Finnland oder Japan. Soziale Herkunft entscheidet hier stärker über den Bildungserfolg als in den meisten anderen OECD-Staaten.

Für uns Freie Demokraten ist eine gute Bildungspolitik die beste Sozialpolitik. Nur mit guter Bildung kann der Einzelne seine Lebenschancen entfalten. Deshalb haben wir vor einem Jahr entschieden auf eine Reform des Bildungsföderalismus gedrängt. Vor genau zwölf Monaten wurde im Bundestag die Änderung des Grundgesetzartikels 104c verabschiedet. Seitdem kann der Bund nicht nur in Gebäude investieren, sondern zweckgebunden zum Beispiel auch in die digitale Fortbildung von Lehrern. Das war ein bildungspolitischer Paradigmen Wechsel.

Bund und Länder müssen diese Möglichkeiten nun aber auch nutzen: Im Digitalpakt sind von fünf Milliarden Euro erst 20 Millionen bewilligt worden. In einigen Bundesländern sind noch nicht einmal einzelne Vorhaben definiert worden. Ein solches Missmanagement dürfen wir uns nicht erlauben. Der Bund darf zahlen – bei der Umsetzung des Digitalpaktes steht er aber unbeteiligt am Rand. In Sachen Bildungsreform dürfen wir daher nicht stehen bleiben: Es braucht dringend eine Exzellenzinitiative für die berufliche Bildung. Wir brauchen außerdem einen Digitalpakt 2.0, damit angeschaffte Technik nicht ungenutzt verstaubt, sondern Eingang in moderne digitale Lern- und Lehrmethoden findet.

Der internationale Vergleich zeigt, dass die institutionellen Rahmenbedingungen entscheidend sind: Schülerleistungen sind dort besser, wo es Gestaltungsspielräume für die einzelne Schule in Verbindung mit gemeinsamen Lernzielen und Abschlussprüfungen gibt. In Deutschland haben die Bildungseinrichtungen wenig Autonomie, zusätzlich fehlen gemeinsame Ziele.

Die Grundgesetzänderung aus dem vergangenen Jahr kann deshalb nur ein erster Schritt hin zu einem grundlegenden Systemwechsel sein. In einer globalisierten Welt steht Bayern nicht in Konkurrenz mit Bremen, sondern Deutschland in Konkurrenz mit Asien oder Nordamerika. 80 Prozent der Deutschen sprechen sich laut einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom für mehr Verantwortung des Bundes im Bildungswesen aus. Kaum ein Bürger versteht, warum für Bund und Länder ein Kooperationsverbot gilt.

Wir brauchen ein Kooperationsgebot. Dass Bund und Länder dann in zentralen Bildungsfragen dauerhaft und nachhaltig Zusammenarbeiten könnten, sollte der Normal- und nicht der Ausnahmezustand sein. Beispielsweise durch eine gemeinsame Vereinbarung über Lernziele und Bildungsstandards. Bundesweite Abschlussprüfungen für die Mittlere Reife und das Abitur schaffen eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Gleichzeitig brauchen Schulen mehr Autonomie und Eigenverantwortung. Zu einer sich bestmöglich selbst verwaltenden Schule sollte es auch gehören, dass der Bund seine Finanzmittel nach entsprechender Bewilligung direkt auf das Schulkonto überweisen darf.

Zweitens brauchen wir mehr wissenschaftsbasierte Entscheidungen in der Bildung. Während in der Medizin eine Behandlungsmethode erst eingeführt wird, wenn ihre Wirksamkeit wissenschaftlich belegt ist, ist das Handeln in der Bildungspolitik oft durch ideologische Vorstellungen geprägt: Schreiben nach Gehör, G8 oder G9, gebundener oder nicht gebundener Ganztag – um nur einige Beispiele zu nennen, die Schülern und Eltern Kopfzerbrechen bereiten. Eine nationale, von Bund und Ländern gemeinsam getragene Einrichtung für Bildungsinnovationen und Qualitätssicherung sollte die besten Bildungsrezepte erarbeiten.

Drittens sollten wir ohne Denkverbote darüber diskutieren, wie wir die Bildungsqualität verbessern können. Während Pisa-Sieger Bildung als nationale Aufgabe begreifen und dies in entsprechenden Ministerien koordiniert wird, gibt es in Deutschland noch keine nationale Koordination für die Gestaltung, Evaluation und Weiterentwicklung von Schulen. Die logische Konsequenz wäre ein Bundesministerium für Bildungsinnovationen & Schulqualität, damit der Bund seiner neuen Verantwortung gerecht werden könnte. Bund und Länder könnten dann gemeinsam dafür Sorge tragen, dass Deutschland zu einer echten Bildungsnation wird.