Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich am Flughafen Düsseldorf. Hin und wieder korrespondiere ich auch mit meiner Mitarbeiterin, die gerade mit dem Zug nach Berlin fährt und die Termine der kommenden Woche vorbereitet. In vielen Unternehmen gehört so etwas längst zum Alltag. Unser Leben ist in Bewegung – also arbeiten wir häufiger auch in Bewegung. Von zu Hause aus, in Cafés, in Bahnhöfen oder an Flughäfen.

Manche Gewerkschaftler sehen darin eine unkontrollierte Ausweitung unbezahlter Mehrarbeit und warnen vor „vergleichsweise schlechten ergonomischen Bedingungen“. Viele Beschäftigte sehen das anders. Wer mit Personalchefs redet, hört immer häufiger: Früher wurde in Bewerbungsgesprächen zuerst nach einem Dienstwagen gefragt, heute erkundigen sich Bewerber, ob sie auch im Home-Office arbeiten dürfen. Offenbar schätzen sie die Zeitsouveränität, die ihnen die Digitalisierung eröffnet.

Trotzdem bietet nur ein Drittel der Unternehmen diese Möglichkeit an. Es ist höchste Zeit, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften die Digitalisierung gestalten. Bald will die Bundesarbeitsministerin ein Weißbuch „Arbeiten 4.0“ vorlegen. Sie täte gut daran, sich von der Vorstellung zu lösen, dass nur dort „gute Arbeit“ sei, wo man in Vollzeit zwischen 9 und 17 Uhr unbefristet angestellt ist.

Erstens: Das aktuelle Arbeitszeitgesetz ist 22 Jahre alt. Es begrenzt die zulässige Arbeitszeit an Werktagen auf acht beziehungsweise maximal zehn Stunden. Damals gab es weder Slack noch Skype. Warum sollten wir heute nicht auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umstellen und so mehr Flexibilität ermöglichen? Arbeitnehmer müssen laut Gesetz nach der täglichen Arbeitsphase eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden einhalten. Wer also früher das Büro verlässt, um die Kinder ins Bett zu bringen, und danach zu Hause weiterarbeitet – der dürfte streng genommen am
kommenden Morgen nicht ins Büro. Dies bedarf eines Updates. Davon könnten besonders Frauen profitieren.

Zweitens: Im europäischen Vergleich hinkt Deutschland beim Angebot von Home-Offices hinterher. Das wirft uns im Wettbewerb um Talente zurück. Studien zeigen, dass Angestellte zu Hause nicht nur zufriedener sind, sondern auch produktiver. Strenge Arbeitsschutzregelungen sollten liberalisiert werden. Wir brauchen keinen Staat, der den Neigungswinkel der heimischen Schreibtischlampe festlegt. Wir können selbst einschätzen, wie lange es angenehm ist, mit dem Laptop auf dem Schoß auf dem Sofa zu arbeiten – und ab wann es für den Rücken gesünder ist, an den Schreibtisch zu
wechseln.

Drittens: Natürlich birgt der neue Arbeitsmarkt auch Risiken. Immer mehr Arbeitgeber in der Kreativbranche stützen sich auf Freelancer, die wiederum die Freiheit der Selbstständigkeit schätzen. Wir müssen Flexibilität mit sozialer Sicherheit verbinden. Denkbar wäre ein Bürgergeld als Grundsicherung, das Sozialleistungen als Auffangnetz zusammenfasst und das bürokratiearm beantragt werden kann. Auch mit Blick auf die Altersvorsorge brauchen wir neues Denken: Wer etwa zwischen Anstellung und Selbstständigkeit wechseln will, darf keine Nachteile mehr haben und muss seine Riester-Förderung behalten können.

Arbeiten 4.0 – das darf nicht länger heißen: viermal mehr Vorschriften und null Fortschritt. Mehr Freiheit ist für die Menschen keine Gefahr – sondern ein Bedürfnis.