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Am Montag habe ich die IAA in Frankfurt besucht – und ich war überrascht. Ich musste damit rechnen, nahezu allein zu sein. Schließlich hatten in den Tagen zuvor die Gegner der Messe und des Autos die Medien bestimmt. Eine Aktivistin nannte mit unfreiwilliger Komik als Bedingung für einen Dialog mit der Wirtschaft sogar, die Autoindustrie müsse sich zuvor erst vom Auto lossagen. Tatsächlich war ich aber nicht der einzige Besucher: Die Zahl der Besucher in den Hallen überstieg die Zahl der Gegner vor den Hallen. Die Debatte entkoppelt sich von der Realität im Land.

Als Carl Benz vor 133 Jahren sein Patent für den Motorwagen anmeldete, wurde die Mobilität revolutioniert. Das Auto steht bis heute für das Versprechen, individuell und anonym und ohne Erlaubnis und zu jeder Zeit an nahezu jeden Ort zu gelangen. Man steigt ein und fährt los – das bieten Bus, Bahn und Flugzeug in dieser Form nicht. Millionen Menschen wollen an diesem individuellen Freiheitsversprechen festhalten.

Eine lautstarke und bisweilen aggressive Minderheit macht dagegen Front. Das Auto, die Autofahrer und die Automobilwirtschaft werden mit Geringschätzung gestraft. Im Gewand scheinbarer Progressivität wird Umerziehung gefordert. Ich beobachte eine Lust am Untergang einer Schlüsselbranche, die schwach und klein geredet wird. Nach wie vor ist diese Industrie aber technologisch führend. Sie zahlt nicht nur Milliarden an Steuern, sondern bringt auch ein Drittel aller privaten Forschungsausgaben auf. Sie und ihre Millionen Beschäftigten haben Anerkennung verdient.

Klimaschutz, Digitalisierung, Sharing Economy und Urbanisierung sind Entwicklungen, die die Branche, ihre Produkte und deren Nutzung verändern werden. Bei der sogenannten Verkehrswende geht es aber manchen offensichtlich um anderes. Cem Özdemir hat zum „Aussteigen“ aufgefordert. Die grüne Verkehrssenatorin von Berlin hat explizit das Ziel ausgegeben, alle Bewohner der Hauptstadt sollten ihr Auto abschaffen. Die bei den Deutschen beliebten SUVs werden pauschal zum Klimakiller gemacht und mit „Mord“ und „Protz“ in Verbindung gebracht. Um das Auto ist ein Kulturkampf entbrannt.

Viele nutzen das Auto, um überhaupt zur Ausbildungsstätte oder zum Arbeitsplatz kommen zu können. Sie haben keine Alternative. Obwohl es richtig ist, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr auszubauen, werden wir auch mit Milliardeninvestitionen nicht jeden Winkel der Republik zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar machen können.

Nebenbei, den Grünen biete ich trotzdem an, im Deutschen Bundestag über ein gemeinsames Planungsbeschleunigungsgesetz zu sprechen. Dann könnten wir in der Zukunft neue Hochgeschwindigkeitstrassen nach dem Vorbild Chinas oder Frankreichs suchen, die eine attraktive Alternative zum Auto oder dem Inlandsflug bieten. Dann muss auch manche Bürgerinitiative vor Ort ihren Widerstand im Dienste des Klimaschutzes einstellen.

Neben der schieren Notwendigkeit, sich von A nach B zu bewegen, muss auch die Wahlfreiheit der Menschen respektiert werden. Nicht jeder will sich bei Wind und Wetter auf das Fahrrad oder in den Bus setzen. Millionen in der Mitte der Gesellschaft schätzen das Auto. Für viele ist das Auto eine der größten privaten Investitionen. Sie fürchten den Verlust von Vermögenswerten durch eine zunehmend irrationaler handelnde Politik. Denn genau darum scheint es bei dieser Auseinandersetzung rund ums Auto in Wahrheit zu gehen: Als ein Ausdruck persönlicher Freiheit und persönlichen Eigentums soll es den einen entzogen werden, weil die anderen es wollen. Wir erwarten technische Innovationen beim Auto und seiner Nutzung – aber nicht eine „Wende“ zurück in eine Vergangenheit, als Mobilität für die große Zahl der Menschen ausschließlich im Kollektiv möglich war.

Wir brauchen erstens ein faires Miteinander auch in Großstädten. Intelligente Verkehrsleitsysteme und Luftfilter – zum Beispiel auf der natürlichen Basis von Moosen – können die innerstädtischen Belastungen und damit die Notwendigkeit von Fahrverboten reduzieren. Carsharing wird die Zahl der Fahrzeuge in Großstädten auf mittlere Sicht reduzieren. Wir sind hier nicht am Ende der Möglichkeiten, sondern stehen am Anfang.

Wir brauchen zweitens Technologieoffenheit. Ja, die Elektromobilität ist eine faszinierende Perspektive. Davon zeugen auch die Produkte deutscher Hersteller auf der diesjährigen IAA. Aber die politisch gewollte und einseitige Fixierung auf batterieelektrische Antriebe könnte sich als Irrweg erweisen. Denn mit der grünen Forderung nach „emissionsfreien“ Antrieben wird übersehen, dass auch der Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen schon bald „emissionsneutral“ genutzt werden kann – inklusive der vorhandenen Infrastruktur von Tankstellen und der bestehenden Wertschöpfungsketten. Power-to-X-Lösungen setzen schließlich nur CO2 frei, das vorher der Atmosphäre entnommen und mit erneuerbarer Energie umgewandelt wurde. Zu Beginn könnte durch eine schrittweise Beimischung von synthetischen Kraftstoffen in fossile erheblich CO2 vermieden werden – und zwar schon mit der vorhandenen Fahrzeugflotte!

Die EU-Flottengrenzwerte für CO2 berücksichtigen diese klimafreundliche Innovation indessen nicht. Damit wird politisch eine deutsche Spitzentechnologie ausgebremst. Die entsprechenden Forderungen des Bundesverkehrsministers sind zwar richtig – warum aber hat die Bundesregierung genau dem Gegenteil in Brüssel zugestimmt? Eine Korrektur muss hohe Priorität haben. In Japan wird zudem Wasserstoff entschlossen erforscht. Bei uns fristet diese Option politisch unverändert ein Nischendasein. Im Auto und bei Nutzfahrzeugen lassen wir so große Chancen ungenutzt. Ein Wasserstoff-Forschungsprogramm und eine entsprechende Infrastruktur fordern wir Freie Demokraten schon seit Längerem.

Wir wollen drittens Gesetze und Infrastrukturen für die Mobilität der Zukunft schaffen. Beim autonomen Fahren, von unseren politischen Mitbewerbern völlig unterschätzt, kann Deutschland Weltmarktführer sein. Die damit verbundenen Fragen nach Datensicherheit und -eigentum oder nach dafür notwendigen Mobilfunk-Frequenzen sollten wir schnell beantworten.

Ich erinnere mich, dass bei den Sondierungen über eine mögliche Jamaikakoalition der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anton Hofreiter, nicht bereit war, einen Kompromiss mitzutragen, bei dem die Option auf individuelle Mobilität trotz des Klimaschutzes garantiert werden sollte. Er habe sein ganzes Leben gegen den Satz „freie Fahrt für freie Bürger“ Politik gemacht, sagte er zur Begründung. Die Offenheit verdient demokratischen Respekt, und manche werden sie teilen, sie ist aber zugleich Ausdruck einer kollektivistischen Haltung. Für Liberale stehen aber die Wünsche und Bedürfnisse jedes Einzelnen im Mittelpunkt allen Handelns – so unterschiedlich und vielfältig sie auch sein mögen.