Wir müssen allen gute Chancen eröffnen.

Christian Lindner Wirtschaftswende
Saarbrücker Zeitung

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Herr Lindner, was kommt Ihnen zuerst in den Sinn, wenn Sie ans Saarland denken?

Lindner: Das Saarland ist die Region in Deutschland mit dem größten Genussfaktor.

Anderen Bundespolitikern wäre sicher zuerst die schwierige wirtschaftliche Lage eingefallen.

Lindner: Meine innere Einstellung ist, immer die Chancen zu suchen. Das Saarland hat Forschungseinrichtungen mit echtem Potenzial, es ist allein durch seine Lage weltoffen und europäisch. Das sind doch Stärken – jetzt, wo durch den starken Umbau der Wirtschaft neue Technologien und Dienstleistungen Arbeitsplätze schaffen können.

Diese Transformation kostet viel Geld. Haben Sie Verständnis, wenn die Ministerpräsidentin deshalb die Lockerung der Schuldenbremse fordert?

Lindner: Nein. Die Staatsquote in Deutschland ist bald bei 50 Prozent, der Bund investiert auf Rekordniveau. Wir unterstützen auch wichtige Bereiche der Wertschöpfungskette wie den Stahl beim Umbau. Aber bei gut 40 Milliarden Euro Steuergeld, die ich jährlich für Zinsen zahlen muss, sollten wir nicht noch mehr Lasten auftürmen. Für die Modernisierung der Wirtschaft setze ich daher auf Unternehmergeist und den Fleiß der Menschen. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wird privates Kapital investiert. Weil die Rahmenbedingungen sich aber seit 2014 verschlechtert haben, investieren auch deutsche Unternehmen vermehrt im Ausland. Viele Politiker lassen sich zu sehr von den USA beeindrucken, wo Präsident Biden mit Subventionen regiert. Dort heizen die Staatsschulden gerade die Inflation wieder an, während unsere Finanzpolitik dabei hilft, die Inflation zu drücken. Wir sollten eine Wirtschaftswende einleiten, indem wir auf weiteren Bürokratieabbau, einen flexibleren Arbeitsmarkt, bezahlbare Energie und steuerliche Entlastungen setzen.

Ansiedlungen mit Subventionen sehen Sie sehr kritisch, trotzdem haben Sie die Schecks für die Stahlindustrie und die Wolfspeed-Fabrik unterschrieben.

Lindner: Ich bin der Interessenvertreter der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Deshalb prüfe ich genau. Wirtschaftsförderung bei Stahl und Halbleiter halte ich aber für verantwortbar, weil andere Wertschöpfungsketten darauf aufbauen. Anders ist es beispielsweise bei Solarmodulen. Prinzipiell müssen wir aber die Rahmenbedingungen für alle verbessern, vom Handwerksbetrieb bis zur Industrie. Niemand kann wissen, welche Technologie, welches Unternehmen, welche Branche 2050 unsere Volkswirtschaft bestimmen wird. Deshalb müssen wir allen gute Chancen eröffnen.

Der Bund darf sich trotz Schuldenbremse mit 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden, die Länder nicht. Wo ist da die Logik?

Lindner: Das ist eine historische Entscheidung. Die Länder hatten seinerzeit auf Verschuldungsspielraum verzichtet. Beim Bund macht die Flexibilität Sinn. Denn er ist beispielsweise zuständig für Sozialversicherungen, wo sich die Konjunktur bemerkbar macht. Die Staatsfinanzen sind noch nicht dort, wo sie sein sollten. Vor Corona waren wir unter 60 Prozent Schuldenquote. Als ich das Bundesfinanzministerium übernommen habe, hatten wir einen Schuldenstand von 69 Prozent des BIP, jetzt sind wir bei 64. Wenn wir noch wenige Jahre Disziplin wahren, haben wir beim Schuldenstand das Vorkrisenniveau von 59 Prozent erreicht. Dann kann eine überproportionale Tilgung von Pandemie-Schulden entfallen. Das bringt uns neuen Spielraum von neun bis zwölf Milliarden Euro jährlich. Solidität zahlt sich mittelfristig aus.

Die Ampel hat 2018 versprochen, Fördermittel des Bundes weniger stark nach Himmelsrichtungen zu verteilen und dafür stärker nach Bedürftigkeit. Wann passiert das?

Lindner: Es ist passiert. Gab es hier nicht neulich Zusagen für die Stahlindustrie und für eine Halbleiter-Ansiedlung? Für die Wirtschaftsförderung im Saarland passiert gerade mehr als zu der Zeit, in der Annegret Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier und Heiko Maas im Bundeskabinett waren.

Wird es die im Koalitionsvertrag der Ampel zugesagte Lösung der Altschuldenproblematik der Kommunen vor der Bundestagswahl 2025 noch geben?

Lindner: Die Haltung der Bundesregierung ist klar: Wir wollen den Ländern mit hochverschuldeten Städten und Gemeinden helfen. Die Voraussetzung ist allerdings eine Änderung des Grundgesetzes, der CDU/CSU im Bundestag und der Bundesrat zustimmen müssten. Leider habe ich keine positiven Anzeichen, dass dies passiert.

Sie hätten inzwischen eh kein Geld mehr für die Übernahme der kommunalen Schulden.

Lindner: Wenn die Union sagt, wir sind dabei, wird das nicht am Finanzminister scheitern.

Warum bestehen Sie auf einer Grundgesetzänderung? Nach Ansicht der saarländischen Landesregierung wäre die Entschuldung auch ohne möglich.

Lindner: Verfassungsrechtliche Risiken gehe ich nicht ein. Ich habe mich einmal auf SPD-Einschätzungen verlassen, als wir den Koalitionsvertrag der Ampel verhandelt haben. In der Konsequenz wurde ein Haushalt vom Bundesverfassungsgericht verworfen. Die Grundgesetzänderung ist ein Erfordernis bei der Teilübernahme der Altschulden durch den Bund. Denn die Schuldenübernahme durchbräche sowohl die verfassungsrechtlich verankerte Trennung der Haushalte von Bund und Ländern als auch die autonome Wahrnehmung der Haushaltswirtschaft und die Lastenverteilung. Unabhängig davon will ich aber unterstreichen, dass der Bund sich in Zukunft verstärkt auf seine originären Aufgaben konzentrieren muss – zum Beispiel bezogen auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Am 9. Juni finden Kommunalwahlen statt. Im Saarland hat es die FDP traditionell schwer. Wie blicken Sie auf die Situation der FDP Saar?

Lindner: Auf der kommunalen Ebene geht es um die Lage vor Ort, somit geht es auch um solide kommunale Finanzen, damit nicht Grund- und Gewerbesteuer erhöht werden müssen. Es geht um Freiheit auch bei der Mobilität, die FDP wird auf keinen Fall eine Politik gegen das Auto machen. Und es geht darum, Schulen und Kitas zu verbessern und das Geld nicht an anderer Stelle versickern zu lassen. Mit diesem Profil ist es der FDP an der Saar in den Kommunen an ganz vielen Stellen gelungen, stärker zu sein als bei Landtagswahlen.

Die Wahlkämpfer berichten, dass sie nicht gerade Rückenwind aus Berlin spüren.

Lindner: Die Ampel wird von unseren Wählerinnen und Wählern nicht geliebt, aber die objektiven Leistungen der FDP in der Bundesregierung sind sichtbar: Wir haben das Land gut durch die Krisen gebracht. Wir haben Steuern gesenkt. Die Infrastruktur wird modernisiert. Bei der Migration haben wir mit der aktuellen Einigung zur Bezahlkarte, Grenzkontrollen und reduzierten Asylbewerberleistungen nach der Ära Merkel eine Zäsur geschafft. Wir sind nicht am Ziel, aber die CDU-geführte Vorgängerregierung hat auch viele Aufgaben hinterlassen.